Meine Mutter ist gestorben, aber statt Trauer fühle ich große Erleichterung.
Das ist doch nicht normal?
MEINE MUTTER ist tot – ABER ICH BIN EHER ERLEICHTERT ALS TRAURIG
Ich hatte nie ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter.
Erst vor kurzem habe ich begonnen zu begreifen, dass sie mich meine ganze Kindheit lang emotional missbraucht, manipuliert und abgewertet hat.
Den Kontakt habe ich in den letzten Jahren schon stark eingeschränkt, weil ich immer wieder gemerkt habe, dass er mir nicht gut tut.
Zuletzt lag sie im Krankenhaus und die Ärzte gaben ihr nur noch ein paar Wochen.
Ich habe sie auf Drängen meines Vaters besucht, hatte ihr aber nichts zu sagen. Sie selbst hat ihre Aufmerksamkeit eh nur auf den Fernseher gerichtet und offensichtlich habe ich sie dabei gestört ihre Soap in Ruhe anzusehen.
Nun ist sie gestorben und ich weiß, ich müsste traurig sein, aber ich fühle hauptsächlich grenzenlose Erleichterung. Es ist als ob mir
eine schwere Last von den Schultern genommen wurde.
Das ist doch nicht normal?
Nina, 28, w
Was ist schon normal? Und „normal“ ist auch nicht immer die beste Lösung!
Liebe Nina,
was ist schon normal?
Jeder ist anders, jede Beziehung ist anders.
Wie du schreibst hattest du wohl nicht die schönste Kindheit und das Verhalten deiner Mutter hat dich vermutlich sehr geprägt – ja wahrscheinlich wirst du noch viele Jahre damit zu tun haben all das aufzuarbeiten.
Das Schwierige bei emotionalem Missbrauch ist ja, dass man es so lange nicht merkt – manche Menschen wissen ihr Leben lang nicht, wieso sie leiden. Sie denken nämlich oft sogar, dass ihre Kindheit gar nicht so schlecht war – vor allem wenn sie nicht geschlagen wurden und auch materiell alles hatten was sie brauchten.
Du hast zum Glück diesen ersten Schritt schon gemacht und begriffen, dass nicht alles so toll war. Und du hast den Kontakt zu deiner Mutter schon zu ihren Lebzeiten reduziert, weil du gemerkt hast, dass er dir nicht gut tut.
Für mich ist das kein bisschen unverständlich, wenn du jetzt nicht trauerst sondern sogar erleichtert bist.
„Sie ist doch trotz allem meine Mutter“ sagen viele Menschen, die Ähnliches oder auch Schlimmeres erlebt haben. Und das ist völlig legitim, wenn sie so fühlen. Das muss jeder schließlich mit sich selbst ausmachen.
Sie ist ja auch trotzdem deine Mutter. Das heißt aber nicht automatisch, dass du verzeihen musst, das heißt nicht, dass du vergessen musst. Und es heißt ganz bestimmt nicht, dass du deine Gefühle außer Acht lassen musst oder gar dass du gegen diese Gefühle handeln musst.
Was du jetzt fühlst geht nur dich etwas an. Du bist auch die Einzige, für die es einen Unterschied macht. Auch musst du deine Gefühle dazu ja nicht an die große Glocke hängen.
Die Beziehung war schwierig, und jetzt ist sie endgültig vorbei. Warum solltest du darüber nicht erleichtert sein?
Nur weil andere Menschen vielleicht andere Gefühle haben, oder nur weil andere Menschen vielleicht andere Gefühle von dir erwarten?
Du darfst fühlen, was immer du halt fühlst
– ganz ohne schlechtes Gewissen. Deine Mutter hat schließlich deutlich dazu beigetragen, dass du ihr gegenüber so fühlst. Du hast nichts falsch gemacht. Du lebst dein Leben auf der Basis deiner Erziehung.
Viel wichtiger finde ich jetzt, dass du weiter an dir arbeitest. Du hast einen schwierigen Start ins Leben gehabt, aber das bedeutet nicht, dass der Rest deines Lebens schwierig sein muss. Mach dich frei von den ganzen Abwertungen, Demütigungen und falschen Glaubenssätzen die sie dir mitgegeben hat.
Du bist stark und du hast es verdient glücklich zu sein!
Ich wünsch dir viel Glück auf deinem Weg!